Die K-i-E Kognitionstheorie
Wie der Mensch bewusst entscheidet
Die Kognitionstheorie zeigt die Untrennbarkeit der Entscheidungssysteme und fügt die Emotions- und Intuitionstheorie sowie das K-i-E Konzept zusammen. Die Kognition erlaubt den intelligenten Gebrauch der Intuition, die mit hoher Geschwindigkeit völlig mühelos mit einer garantierten Zeit eine Entscheidung liefert.
Die bewusste Entscheidung ist ein iterativer Prozess, der in einem Gedanken-Zyklus geformt wird. Der bewusste Gebrauch beider Entscheidungssysteme sowie der Intuition ermöglicht kontrolliertes strategisches Denken und Entscheiden und stattet Führungskräfte mit den heute notwendigen Führungsqualitäten in Zeiten der digitalen Transformation aus.
Die bewusste Entscheidung entsteht in Zyklen
Die Interaktion zwischen Emotions- und Kognitionssystem findet in jedem Durchlauf untrennbar als ein Gedankenzyklus statt, der sich zur bewussten Entscheidung entwickelt. Das Ergebnis des Emotionssystems als innerer Teilschritt im Gedankenzyklus wird zur Intuition (3), indem sie als solche bewusst identifiziert wird. Die kognitiv überformte Entscheidung kann als Teil einer bewussten Entscheidung mit und ohne Wahrnehmung der Intuition stattfinden.
Abbildung: Der Gedankenzyklus
Wie der Gedankenzyklus endet
Die Interaktion zwischen Emotions- und Kognitionssystem findet in jedem Durchlauf untrennbar als ein Gedankenzyklus statt, der sich zur bewussten Entscheidung entwickelt. Das Ergebnis des Emotionssystems als innerer Teilschritt im Gedankenzyklus wird zur Intuition (3), indem sie als solche bewusst identifiziert wird. Die kognitiv überformte Entscheidung kann als Teil einer bewussten Entscheidung mit und ohne Wahrnehmung der Intuition stattfinden.
Die letzte Überprüfung des kohärenten Weltbildes (3), das die langfristigen Aspekte mittels präfrontalem Cortex bereits enthält, wird durch das Emotionssystem mit stimmigem Impuls (5.2) als letzter Gedankenzyklus ohne Kognitionssystem erzeugt. Der stimmige Impuls zeigt, dass das Emotionssystem die Situation bewältigen kann.
Der Impuls, der das Kognitionssystem aktiviert, kann wahrgenommen und trainiert werden. Er führt immer – ob nun als letzter stimmiger oder als unstimmiger Impuls in den Zyklen davor – zu besseren bewussten Entscheidungen, wenn er wahrgenommen wird.
Abbildung: Der Gedankenzyklus wird durch das Emotionssystem beendet
So hat das Emotionssystem, als evolutionär älteres System, im wahrsten Sinne das letzte Wort. Erinnerungen genügen denselben neurologischen Prozessen des kohärenten Weltbildes. Sie rekonstruieren in einem Gedankenzyklus eine vorgestellte Wirklichkeit, bis das Emotionssystem den Zyklus als stimmig beendet. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass Erinnerungen nicht zuverlässig sind, weil sie den denselben Wirkprinzipien wie der emotionalen Erregung und den neuronalen emotionalen Programmen unterliegen.
Der Mensch braucht ein kohärentes Weltbild
Es kommt einer Herkulesaufgabe für das Kognitionssystem gleich, einen Impuls mit dem einhergehenden Emotionsgefühl, dessen Ursprung unbekannt ist, mit dem Ergebnis der kognitiven Verarbeitung zusammenzubringen. Das kohärente Weltbild (Bild 7.4) wird in der Zeit von (2.1) bis (3.1) vom Emotionssystem beeinflusst.
Abbildung: Das Emotionssystem beeinflusst das Kognitionssystem
Die Entscheidung ist zu einem bestimmten Zeitpunkt (3.1) im Emotionssystem abgeschlossen. Die Voraussetzung für die Aktivierung des Kognitionssystems ist ein Stimulus (1), der vom Emotionssystem nicht bewältigt wird. Der nicht bewältigte Stimulus führt zu einer emotionalen Erregung, die das Kognitionssystem (3.2) aktiviert. Die Aktivierung ist bei Achtsamkeit mit einem Impuls wahrnehmbar, der von spezifischen Emotionsgefühlen (3.3) begleitet wird. Sie entstanden aus dem Motiv-Profil des vorher wirkenden neurologischen emotionalen Programms.
Nun muss das Kognitionssystem die parallel verarbeitete kognitive Entscheidung (4.1) mit der vorliegenden emotionalen Entscheidung (3.2) in ein kohärentes Weltbild zusammenfügen.
Ist beispielweise im Motiv-Profil die Angst dominierend, so wird die kognitive Entscheidung einer Führungskraft, trotz zuversichtlicher Kennzahlen, überraschend konservativ ausfallen. Das kohärente Weltbild, das bei Entscheidungen im Unternehmen mitgeliefert wird, klingt wohlvertraut: trotz der guten Prognosen sei Vorsicht wegen der unsicheren Marktsituation angeraten.
Dominiert der Ärger als Einflussnahme, wird der Tenor der Entscheidung eher lauten, die Entscheidung sei sehr sinnvoll und eine Investition sei jetzt zügig anzugehen.
Sollte die Schuld im emotionalen Motiv-Profil dominieren und gleichzeitig die Schuld vermieden werden, wird eher eine Aussage fallen, dass Wettbewerber ähnliche Probleme hätten und die bisherige Freigabe scheitert dann am zähen Freigabeprozess. Da Schuld im Emotionsbaum spät aktiviert wird, ist davon auszugehen, dass vorher individuelle Grundemotionen aktiv waren, zum Beispiel Angst oder Ärger.
Kognition ist mehr als Sinngebung
Der Begriff des kohärenten Weltbildes unterscheidet von sinn-stiftenden und sinn-gebenden Ansätzen. Es mag bei ausschließlicher Betrachtung der individuellen Gedächtnis- und Entscheidungssysteme durchaus als sinn-gebend erscheinen, wenn eine Führungskraft eine unsinnige Entscheidung fällt. So mag beispielsweise eine autoritäre Entscheidung, ein Projekt trotz fehlender Erfolgsaussichten fortzusetzen, aus Sicht des drohenden Gesichtsverlustes sinn-gebend sein, sinnvoll im unternehmerischen Sinne wird es dadurch jedoch nicht. Umgekehrt kann es sinnvoll sein, ein gescheitertes Projekt aus bilanztechnischer Sicht als erfolgreich zu etikettieren. Ein gescheitertes Projekt müsste sofort in vollem Umfang, ein erfolgreiches Projekt kann jedoch über mehrere Jahre abgeschrieben werden.
Abbildung: Aus den emotionalen Motiven entstehen Wert und Sinn
Die Sinngebung ist aber tatsächlich nur eine nachgelagerte Erscheinung im Gedankenzyklus. Wird die Wirkung des Verhaltens – real oder vorgestellt – vom Emotionssystem als nicht stimmig bewertet, forciert es erneut das Kognitionssystem, ein kohärentes Weltbild zu erstellen, bis es stimmig erscheint. Wenn jedoch Emotionen dominieren, wandelt sich das kohärente Weltbild im unternehmerischen Sinn zum Unsinn.
Tatsächlich fließen die vorgegebenen emotionalen Motive aus dem Emotionsbaum in das kohärente Weltbild als auch in dessen Abgleich des Emotionssystems im Gedankenzyklus mit ein.
Bei angemessener emotionaler Erregung stimmen die emotionalen Motive der aktivierten neurologischen emotionalen Programme mit den höheren kognitiven Konstrukten wie Wert oder Sinn weitgehend überein. Soweit handeln Menschen sinnvoll und geben ihren Entscheidungen auch einen Sinn beziehungsweise orientieren sich an ihren Werten.
Steigt jedoch die emotionale Erregung, verschieben sich die emotionalen Motive in die dysfunktionalen Bereiche, und Entscheidungen wie das nachfolgende wahrnehmbare Verhalten sind – im kognitiven Sinne – weder vernünftig, noch sind sie sinnvoll und entsprechen nicht mehr den individuellen Werten.
Das gilt umso mehr, wenn die emotionale Erregung in einen hohen Bereich ansteigt, und Entscheidungen skrupellos, unsozial oder unmenschlich werden. Auch dann entsprechen sie der Emotionslogik und sind menschlich, einmal, weil sie von Menschen gefällt wurden, und zum anderen, weil die menschliche Emotionslogik nun mal so gebaut ist.
Die Untrennbarkeit der Entscheidungssysteme
Die Untrennbarkeit der Entscheidungssysteme und die damit verbundene frühe Beeinflussung des Kognitionssystems durch das Emotionssystem bedeutet, jede kognitive und damit auch jede bewusste Entscheidung hat einen intuitiven Anteil. Die Frage, ob die Intuition bessere Entscheidungen liefert oder die Kognition, ist mit diesem Wissen nicht mehr valide. So als würde man fragen: Ist Ausatmen besser als Einatmen? In allen Interaktionen zwischen den beiden Systemen wirkt die Intuition als Ergebnis des Emotionssystems. Die emotionale Erregung wird in einen starken Impuls übergehen. So erscheint die Intuition bei balancierter emotionaler Erregung als neutraler Impuls, der einfach in die kognitive Entscheidung einfließen kann. Bei einer hohen emotionalen Erregung und bei besonders unangenehmen Emotionsgefühlen wie Angst, Schuld oder Scham ist die Intuition schwer zu erkennen, und es wird schwierig, sie in eine kognitive Entscheidung zu integrieren.
Abbildung: Die kognitive Entscheidung ist untrennbar mit der Intuition verbunden
Die kognitive Entscheidung beginnt mit der Intuition (3), die das Kognitionssystem aktiviert, das später eine kognitive Entscheidung (4) erzeugt. Die Intuition selbst entstand im vorgelagerten Prozess entsprechend der Emotionslogik: ausgelöst durch den Stimulus, das emotionale Motiv und die mittels der emotionalen Erregung aktivierten neuronalen emotionalen Programme, die mit einem Impuls die Intuition an das Kognitionssystem weitergegeben haben.
Kopf oder Bauch? – das ist die falsche Frage
Die Frage „Kopf oder Bauch – wer trifft die besseren Entscheidungen?“ kann niemals befriedigend beantwortet werden. Die Intuition kann alleine agieren, die Kognition jedoch nicht. Die Frage lässt sich nicht mit einem Entweder-oder beschreiben. Die Kognition umfasst vollständig die Intuition und macht die Entscheidung aus dem Emotionssystem zur bewusst wahrgenommenen Intuition. Die Frage kann nur lauten, wieweit wird sie im Prozess der Kognitionsverarbeitung sinnvoll genutzt.
Abbildung: Bauch und Kopf statt Kopf oder Bauch
Durch die Kognitionstheorie lassen sich bessere Fragen stellen, die das wirkliche Anliegen – gute Entscheidungen zu treffen – klären. Beides, Kopf (Kognition) und Bauch (Intuition), sind untrennbar miteinander verbunden.
Frage 1: Wie nutze ich das Bauchgefühl – die Intuition – für gute Entscheidungen?
Antwort 1: Durch die bewusste Nutzung der Intuition, wie sie neurologisch vorgegeben ist.
Frage 2: Wie nutze ich den Kopf – die kognitive Entscheidung – für gute Entscheidungen?
Antwort 2: Durch die bewusste Nutzung des natürlichen neurologischen Entscheidungsprozesses für individuelle, sowie für Gruppen-Entscheidungen.
Die bewusste Nutzung der Intuition mit einer individuellen Entscheidungsstrategie und mit Entscheidungsprozessen für Teams ist Teil der Entscheidungswerkzeuge. Für ein tieferes Verständnis ist zu beachten, dass beide, Kognition (Kopf) und Intuition (Bauch), weitgehend im Kopf lokalisiert sind. Die Intuition drückt sich zwar häufig über ein Bauchgefühl aus, aber viele Menschen haben ganz unterschiedliche Körperteile, in denen sie die Intuition spüren.
Die häufig geäußerte Annahme, bewusste Prozesse würden 80% der Energie im Gehirn verschlingen und unbewusste entsprechend 20%, ist zu überdenken. Die Anzahl der bewussten Entscheidungen, bedingt durch die mehrfachen Zyklen der beiden Entscheidungssysteme, bedarf einer neuen Betrachtung. Der Appell des Hirnforschers Gerhard Roth von der Universität Bremen, bloß nicht nachzudenken und die Kraft für Neues und Gefahrvolles aufzusparen, sollte ebenfalls nachjustiert werden. Meine Erfahrungen und die Arbeit von 38 Jahren Vorstands- und Technologietätigkeit sowie Training und Coaching zeigen, die Intuition abzulehnen erfordert eine weitaus größere Kraft als sie anzunehmen. Daran schließt sich die Integration in eine kognitive Entscheidung an, die wiederum von Emotionsgefühlen begleitet wird, die bewusstes Entscheiden manchmal erschweren.
Die Ablehnung der Intuition aber führt zu Stress und langfristiger Stress zu Burn-out. Das Wissen um diese inneren Prozesse löst bei entsprechendem Umgang die inneren Konflikte und führt gleichzeitig zu guten Entscheidungen.
Wenn die Untrennbarkeit getrennt wird
Der Fall Phineas Gage zeigt, was geschieht, wenn die Untrennbarkeit getrennt wird. Die massive Metallstange, ein sogenanntes Stopfeisen, verursachte das vielleicht berühmteste Trauma der Medizingeschichte. Phineas Gage überlebte wie durch ein Wunder am 13. September 1848 einen schrecklichen Unfall. Das Stopfeisen wurde Gage aus der Hand geschleudert und drang unterhalb des linken Auges in seinen Kopf ein. Es durchdrang den linken Frontallappen seines Gehirns und trat knapp neben der Scheitellinie wieder aus dem Schädel aus und flog etwa 20 Meter weiter.
Abbildung: Phineas Gage verlor Teile seines präfrontalen Cortex
Gage verlor trotz der Verletzung nicht das Bewusstsein und begrüßte den eintreffenden Notarzt angeblich mit „Doktor, hier gibt es für Sie reichlich zu tun“. Gage erholte sich erstaunlicherweise, arbeitete bald wieder und ging für mehrere Jahre nach Chile, er starb im Mai 1860, fast zwölf Jahre nach seinem Unfall. Abgesehen von der einseitigen Erblindung hatte er keinerlei Ausfälle von Sinneswahrnehmungen, von Sprache, Gedächtnis, Intelligenz oder anderen Körperfunktionen. Diese sind offensichtlich nicht dem verletzten präfrontalen Cortex an der Stirnseite des Gehirns zuzuordnen.
Die Motive der sozialen Emotionen und die langfristigen Aspekte werden in der Interaktion mit dem präfrontalen Cortex einbezogen.
Auffällig war, er hatte Schwierigkeiten bei rationalen Entscheidungsfindungen. Im persönlichen und sozialen Bereich hielt er sich an keine Konventionen und sorgte nicht für seine Zukunft. Aus dem besonnenen, freundlichen und ausgeglichenen Gage wurde ein kindischer, impulsiver und unzuverlässiger Mensch.
Der präfrontale Cortex ist das Gehirnareal, in dem die sozialen Emotionen Schuld und Scham als Interaktion zwischen Emotions- und Kognitionssystem für langfristige und soziale Steuerung von Handlungen verarbeitet werden.
Der Nutzen für eine Fehlerkultur
Das unangenehme Gefühl des Scheiterns mit Schuld und Scham verhindert im unternehmerischen Kontext häufig, die Lehren aus dem Scheitern zu ziehen. Aus der Vermeidung der Emotionsgefühle werden Fehler im unternehmerischen Kontext häufig nur mit schlechten Entscheidungen verbunden. Das K-i-E Konzept erlaubt, die Qualität, die Misserfolgen und Fehlern innewohnt, wieder zu nutzen, um gute Entscheidungen herzustellen.
Mit der Emotionstheorie, insbesondere den Motiv-Profilen und der Kognitionstheorie, lassen sich die unterschiedlichen Fehlerkulturen in eine einzige funktionale kontextspezifische Fehler-Kultur überführen.
Zwischen der wertvollen Erfahrung aus Fehlern (9) sowie der daraus abzuleitenden Lerneinheit (11) und der Schuld (10) für die verursachte Wirkung (7) ist zu trennen. Ein eingetretener Schaden ist nicht mehr zu gestalten, er ist nur noch auszugleichen. Jedoch kann aus den gemachten Fehlern ein Nutzen gewonnen werden, wenn auf dem Weg (I) die Erfahrungen (9) aus den Fehlern zuerst gesichert werden, anschließend die Schuldfrage (10) geklärt und dann eine Lerneinheit (11) erstellt wird. Alternativ kann auch der Weg gewählt werden, indem das Lernen bereits vor der Schuldfrage erfolgt, die dann erst später (II) geklärt wird. Wird die Schuldfrage zu früh aufgeworfen und werden Konsequenzen für die Verantwortlichen sowie ein Ausgleich für den Schaden in den Mittelpunkt gestellt, verpassen Entscheider die Chance, aus den Erfahrungen von unerwünschten Wirkungen zu lernen. Ähnliche Effekte treten ein, wenn das Schuldgefühl, das eine angemessene Ausgleichsbewegung verhindert, vermieden wird.
Abbildung: Lernen aus Fehlern erfordert zwingend eine Reihenfolge
Gute Entscheidungsprozesse trennen zwischen den Phasen Lernen aus Fehlern (9 und 11) und Ausgleich für Schuld (10) und bringen sie in diese klare Reihenfolge.
Freies Verhalten durch den Gebrauch der Kognition
Erst durch den bewussten Gebrauch der Kognition konnte der Mensch, evolutionär gesehen, auf die Wirkung eines bereits geschehenen Verhaltens reagieren und darauf aufbauend, eine neue bewusste Entscheidung fällen.
Freies Verhalten (6.2) begann, als die verfehlte Wirkung (7.1) einer Entscheidung bewusst wahrgenommen wurde. Die wahrgenommene Wirkung (7.2), die von einem unbewusst agierenden System verursacht wurde, erlaubte, darauf in weiteren Zyklen zu reagieren.
Abbildung: Freies Verhalten begann mit der wahrgenommenen Wirkung
Auf Basis einer vorgestellten Wirklichkeit in einem kohärenten Weltbild entsteht das freie Verhalten. Der einmalige Vorgang der kognitiven Überformung wird zu einem mehrfach durchlaufenen Gedankenzyklus, der einer bewussten Entscheidung vorausgeht. Bei einem hinreichend häufigen Durchlaufen der Gedankenzyklen wird die kognitiv überformte Entscheidung mehr und mehr zu einer rein kognitiven Entscheidung. Freies Verhalten entsteht in Gedankenzyklen einer vorgestellten Wirkung aus angenommenen kognitiv überformten Entscheidungen.
Die beabsichtigte Wirkung wird durch Gedankenzyklen mit wahrgenommenen, erinnerten und konstruierten Weltbildern abgeglichen. Die Konstruktion des kohärenten Weltbildes geschieht nach wie vor aus den untrennbar verbundenen Entscheidungssystemen, die als Stimulus das kohärente Weltbild erhalten.
Abbildung: Freies Verhalten wird durch das Kognitionssystem möglich
Die bewusste Wahrnehmung im Kognitionssystem, als parallele Entwicklung zum unbewusst agierenden Emotionssystem, ist Voraussetzung, um Verhalten zu korrigieren. Die weitere evolutionäre Entwicklung erlaubt, in Gedankenzyklen – anhand der vorgestellten Wirkung – eine bewusste freie Entscheidung zu formen, die in einem freien Verhalten mündet.
Abbildung: Wie freies Verhalten entstand
Wie Intuition die rationale Entscheidung rehabilitiert
Die rationale Entscheidung ist eine bewusste Entscheidung, die in mehreren Gedankenzyklen erstellt wird. Als besonderes Merkmal des Nutzenmaximierers hat sich im Unternehmen die Begründung als letzte und manchmal einzige Bedingung für eine rationale Entscheidung gehalten.
Die Begründung ist der finale Schritt für die Auswahl einer einzigen Entscheidung und der Grund gegen alle anderen. Auch wenn dies nicht möglich ist, bleibt das Postulat der bewussten Begründung einer Entscheidung im Unternehmen bestehen.
Abbildung: Die rationale Entscheidung
Die Intuition kann nicht zwischen Alternativen auswählen, sie kann nur auf einen Stimulus mit Go oder No-go reagieren. Sie kann die Entscheidung aus dem Emotionssystem nicht begründen. Die Wahl zwischen Alternativen ist die Domäne des Kognitionssystems.
Es verarbeitet in den Gedankenzyklen eine Alternative nach der anderen und wird dabei von der Intuition unterstützt. Dieser Vorgang ist tatsächlich ein Priorisierungsprozess, an dessen Ende sich für eine Entscheidung committet wird. Jedoch wirken Kognition und Intuition in ihrer Untrennbarkeit zusammen, indem die Kognition Alternativen anbietet, die von der Intuition bewertet werden. Die rationale Entscheidung ist eher ein Priorisierungsprozess, an dessen Ende die Wahl begründet wird. Somit ist die Frage rational oder intuitiv ebenfalls in dieser Polarität nie zu beantworten.
Damit genügt die rationale Entscheidung überraschenderweise und in hohem Maße der zyklischen Erstellung des kohärenten Weltbildes und taugt damit als Fragment für einen guten Entscheidungsprozess, wenn die offensichtlichen Mängel ausgeglichen werden.
Risiko und Chancen der rationalen Entscheidung
Eine Begründung kann nur durch die Aktivierung des Kognitionssystems erzeugt werden, das ist eine große Chance. Die Struktur der rationalen Entscheidung ist ein äußerst sinnvolles, vielleicht notwendiges Kriterium für gute Entscheidungen. Sie aktiviert zwingend weitere Gedankenzyklen mit dem Kognitionssystem, um die Begründung zu erstellen. Damit wird eine rein intuitive Entscheidung verhindert und gleichzeitig ein Weg geöffnet, um die Intuition bewusst einzubinden. Eine gute unternehmerische Entscheidung sollte die Kognition immer bewusst integrieren.
Die Begründung selbst ebnet jedoch wiederum dem Emotionssystem Tür und Tor, wenn sie zur Rechtfertigung, zur Verschleierung und Absicherung verwendet wird oder die Durchsetzung einer Entscheidung als alternativlos erzwungen wurde.
Schuldvermeidung, Risikovermeidung durch Angst und dysfunktionale Einflussnahme fließen auch immer in die kognitive Entscheidung genauso wie in die Begründung mit ein.
Dieser zyklische Prozess hat zur Konsequenz, dass die rationale Entscheidung, gerade weil sie begründet werden muss, zur irrationalen Entscheidung werden kann. So wenig, wie es die rein kognitive Entscheidung aufgrund der Architektur der Entscheidungssysteme gibt, so wenig gibt es die rationale Entscheidung aus demselben Grunde.
Eine Annäherung an eine rationale beziehungsweise gute Entscheidung kann nur durch einen bewussten und gezielten Zyklus mit Integration der Emotionen erreicht werden. Nicht, weil Emotionen dabei sein müssten. Nein, weil sie bereits dabei waren.
Der 2013 verstorbene französische Philosoph und Phänomenologe Paul Ricœur, dessen bekennender Schüler Emmanuel Maron ist, dehnte die Begründung auf die Persönlichkeit und Geschichte aus. Er nannte sein Konzept „narrative Identität“. Jeder Mensch gewinnt seine Identität, indem er eine Erzählung von sich, aber auch von seinen eigenen Veränderungen beständig neu interpretiert und als kohärentes Weltbild seine neuronalen emotionalen Programme manifestiert.
So interpretiert Ricœur mit diesem Phänomen zum einen die Notwendigkeit des kohärenten Weltbildes als „narrative Interpretation“. Zum anderen beschreibt er die damit einhergehende Entwicklung des Individuums, von Gesellschaften und der Menschheit.