Kern einer jeden Fehlerkultur ist es, aufgetretene Fehler zu korrigieren beziehungsweise wieder gutzumachen. Ebenso ist dieses Verhalten Kern des Erfolgs für Teams und Führungskräfte.
Erfolg im Fußball wie Erfolg im Unternehmen setzt eine funktionale Fehlerkultur voraus, die Thomas Müller, Bayern München (FCB) populär ausspricht: „Wir streiten uns eigentlich darum, wer den Fehler des anderen wieder gutmacht“. Natürlich sollte man nicht streiten, und Müller meint sicher die Bereitschaft und die Umsetzkompetenz, Fehler sofort zu korrigieren sowie zu heilen, wenn das nicht mehr möglich ist.
Fehler (Abb.1: A), die am Ende eines Entscheidungsprozesses stehen, fühlen sich unangenehm an. Das einschränkende Verhalten in Unternehmen entsteht vornehmlich daraus, diese unangenehmen Gefühle zu vermeiden. Da helfen auch nicht gut gemeinte Ratschläge: „Fehler zu machen“ oder „Fehler möglichst früh oder schnell zu machen“. Fehler, und der daraus entstehende emotionale Impuls, zeigen nur an: wir sollten erneut handeln. Wer diesen Impuls missinterpretiert und ihm nicht folgt, um die Wirkungen zu korrigieren (Abb.1: A), begeht bereits einen zweiten Fehler, der den unangenehmen Effekt weiter verstärkt.
Handeln, auch Nicht-Handeln (Abb.1: 2), hat eine Wirkung (Abb.1: 3), die nie gänzlich zu kontrollieren ist. Tritt eine „erwünschte“ Wirkung ein, ist es ein Erfolg, verfehlt man sie, wird es zum Versagen. Kommt jemand zu schaden oder wird eine Norm überschritten, so war die vorausgegangene Entscheidung (Abb.1: 1) ein Fehler. Fehler sind dabei meist nur eine Bewertung der Wirkung des Handelns wie gut versus schlimm oder positiv versus negativ:
- „gute“ Wirkung = Erfolg oder Glück, wenn sie unverhofft eintritt.
- „schlimme“ Wirkung = Fehler oder Pech, bei kleinem eigenen oder verleugnetem Beitrag
Die nicht gänzlich zu kontrollierende Wirkung entsteht aus der Handlung (Abb.1: 2). Jedoch schauen wir mehr auf die Entscheidung (Abb.1: 1), in der alle Emotionen wie Angst (Sorge um Sicherheit) bis hin zu Schuld und Scham (Zugehörigkeit durch Leistung) wirken. Werden Fehler wahrgenommen (Abb.1: A), wirken ebenfalls alle Grundemotionen im dysfunktionalen Bereich. Die Sorge um Sicherheit (Angst) sowie die Einflussnahme, einen Vorteil zu nutzen (Ärger), wurden verfehlt. Etwas oder jemand wurden beschädigt (Schuld) und man war nicht gut genug (Scham). Eine funktionale Fehlerkultur orientiert sich an dieser Emotionssequenz:
- Den Fehler (Abb.1: F) wahrzunehmen und anzuerkennen (Abb.1 A) , ohne Wenn und Aber, als etwas, das geschehen und vorbei ist.
- Oft kann der Fehler korrigiert werden (Abb.1: B), worauf das Zitat von Müller hinweist. Wenn dies gelingt, ist alles gut und es bleiben nur die unangenehmen Gefühle, die noch zu regulieren wären. Danach sind der Einzelne und das gesamte Team wieder motiviert und handlungskompetent, auch um Fehler zu korrigieren.
- Gelingt es nicht, den Fehler zu korrigieren, ist ein „Schaden“ eingetreten. Hier ist nach der Wahrnehmung und Anerkennung (Abb.1: A) der Schaden zu mindern (Abb.1: C). Dabei ist mit demselben Engagement vorzugehen wie bei der Korrektur (Abb1: B). Im Sinn des Fußballspiels ist die Situation mit dem Tor für Paris Saint-Germain (PSG) eingetreten, als Thilo Kehrer (PSG) den Fehler machte und Kingsley Coman (FCB) das Tor einköpfte. Die PSG-Spieler waren danach nicht fähig, die Fehlerkultur konsequent umsetzen.
Für eine gelungene Fehlerkultur ist ein eingetretener Schaden ebenfalls mit Folgeschritten zu managen (Abb.1: D und E). Der „Schaden“ ist auszugleichen. Oft reicht ein „Tut mir leid“ oder ein entschuldigendes Handheben, was die Bayern immer wieder zeigten. So kann auch die Schuld mit einer anerkennenden Geste minimiert werden. Die quittierte gute Absicht entlastet den Verursacher und weist auf die gelungenen Prozesse bei der Entscheidung (Abb.1: 1) hin. Natürlich ist in formalen Geschäftsbeziehungen oft eine andere „Währung“ als Handheben gängig und formal notwendig, die Dynamik dahinter jedoch bleibt. Mit diesem Prozess entsteht die gewünschte Fehlerkultur und alle sind bereit, sich für den Erfolg wieder einzusetzen.
Die Fehlerkultur wird geschwächt, wenn die Diskussion der Schuldfrage vor der Korrektur (Abb.1: C vor B) und dem Ausgleich erfolgt. Die fast tumultartigen Rangeleien auf dem Spielfeld zeugen davon, die gelben Karten zeigen, wie dem Schlimmen Schlimmes hinzugefügt wird.
Oft gelingt der erste Schritt nicht, den Fehler anzuerkennen. Diese Vermeidung wirkt als großes Hemmnis (Abb.1: A‘), was sich im Verhalten bei Neymar in der zweiten Halbzeit immer mehr zeigte. Wenn es dann schief ging, halten dafür die Emotionen eine Lösung vor: Tränen der Trauer. Die Trauer gehört in den Erfahrungsprozess, der das Vergangene ablöst sowie Lernen möglich macht.
Fehlerkultur im Unternehmen
Im Unternehmen geht man von rationalen zumindest bewussten Entscheidungen aus. Im Fußball ist jedoch oft die Intuition (Abb.1: I) für den Erfolg notwendig, genauso wie im Management und der agilen Zusammenarbeit. Sie ist Kunst und Notwendigkeit zugleich (Link KiE-Intuition). Unabhängig davon, ob wir bewusst oder intuitiv entschieden haben, wird eine Wirkung entstehen (Abb.1: I, dann 2 und 3). Auch wenn wir die Wirkung günstig beeinflussen wollen, können wir unabhängig von der Art, wie wir entschieden haben, sie letztendlich nicht kontrollieren. Das ist Menschsein und macht Fußball sowie agile Zusammenarbeit wie Management und unser Leben aus.
Im Spannungsfeld zwischen beabsichtigter und „schlimmer“ Wirkung wirken vor allem Schuld und Scham, wenn ein Schaden entstanden ist und weil man es gut machen wollte. Gerade diese Emotionen sowie die Trauer sind in Unternehmen jedoch noch nicht hoffähig.
Unternehmen fordern Wissen, warum das Design der Fehlerkultur gemäß der Emotionen gewählt werden sollte, weil Menschen auch andere Impulse für ihr Verhalten verspüren: „Warum soll ich das machen?“ oder „Das ist doch ihre oder seine Schuld!“. Unabhängig von individuellen Empfindungen gibt die Emotionslogik jedoch eine Sequenz für die natürliche Fehlerkultur vor. Die Emotionen sind der Impuls zu handeln, um es gut zu machen.
Weicht man von der Vorgehensweise ab, wirkt es sich fatal beziehungsweis erschwerend auf das Lernen (Abb.1: G) durch diese Erfahrungen (Abb.1: F) aus. Im Emotionssystem der Individuen kann sich die Lernerfahrung nicht verfestigen und die Fehlerkultur wird von denen verhindert, die sie fordern und auch von denen, die sie gerne leben möchten.
Change zur funktionalen Fehlerkultur
Fehlerkultur entwickelt sich mit DecisionMaking selbstverantwortlich und selbstorganisiert. Das Design für den Transformationsprozess geschieht mit agilen Vorgehen und KiE-DecisionMaking. Die Chance der Stakeholder zu erhalten, was sie brauchen, steigt. Die Menschen beginnen, sich gegenseitig zu verstehen und enger zusammenzuarbeiten.
Die DecisionMaking-Prozesse sind mit dem digitalisierten DecisionMaker sowohl für Präsenz- als auch für Remote Collaboration zu verwenden.
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August 2020, Richard Graf und Elsa Graf
„Wer einen Fehler gemacht hat und ihn nicht korrigiert, begeht einen zweiten.“ Konfuzius
Quellen
Bildnachweis Titelbild: Sportschau 23.08.2020. Verfügbar bis 23.08.2021 ARD