a05 Ist Agilität ohne agile Methoden zu erreichen?

Nein. Agilität ist aus meiner Erfahrung nicht ohne agile Methoden erreichbar.

Es führen viele Wege nach Rom und vielleicht auch einige wenige zu Agilität. Jedoch kann man guten Gewissens empfehlen, mit agilen Methoden erreicht man auf dem „natürliche“ Wege die Agilität für agile Teams, Mitarbeiter, Führungskräfte und Unternehmen.

Abbildung: Agilität ist mit agilen Methoden zu erreichen

In der aufgeregten Diskussion um Digitalisierung und Agilität sind folgende Begriffe zu unterscheiden.

 

Agilität

Agilität stattet Unternehmen mit der Flexibilität aus, um in der Dynamik der heutigen globalisierten Welt zu agieren und auf disruptive Veränderungen zu reagieren.

Um flexibel zu agieren und zu reagieren, sind vor allem schnelle und gute Entscheidungen herzustellen. Das Feedback aus der eigetretenen Wirkung erfordert erneut gute und schnelle Entscheidungen. Das gilt für Individuen gleichermaßen wie für Teams.

Somit ist Agilität eine sich entwickelnde Fähigkeit, die wiederholt in Unternehmen von Menschen und Prozessen geleistet wird.

 

Agiler Change

Der agile Change ist ein Transformationsprozess, der zur Agilität führt.

Aus meiner Erfahrung sollte der agile Change zyklisch evolutionär durchgeführt werden. Er ist ein Vorhaben wie jedes andere, jedoch mit vielen Hürden und Unwägbarkeiten. Bereits hier stellt sich die Frage, wird das Change-Vorhaben (Projekt) mit agilen Methoden oder mit Wasserfall-Vorgehen eingeführt.

Dabei sind folgende Themen zentral

  1. Change-Prozesse – Wie wird der Change-Prozess selbst als Vorhaben durchgeführt?
  2. Menschen – Wie werden Menschen befähigt, damit sie ihre „Agilität“ entwickeln?
  3. Prozesse – Welche Prozess, die Agilität fördern, werden von Unternehmen eingeführt, welche müssen entfernt und welche können angepasst werden?

Phasen-Modelle und iterative Ansätze fokussieren darauf, einen bekannten Scope abzuarbeiten. Zyklisch evolutionäres Vorgehen hat den Anspruch im Prozess zu wachsen, um mit den Erfahrungen, die im Change entstehen, eine bessere Lösung zu schaffen, als sie zum Startzeitpunkt bekannt war.

 

Agile Methoden

Agile Methoden, wie Scrum, sind ein äußerst diszipliniertes Vorgehen, um Vorhaben erfolgreich umzusetzen. Der Kern einer jeder agile Methode ist Time-Boxing und Single-Tasking.

Time-Boxing – Es werden möglichst kleine Einheiten (Stories) in festen Zeiteinheiten (Sprints) von ein bis vier Wochen abgearbeitet. Hier orientiert man sich am menschlichen Verhalten, das ebenfalls in Time-Boxes organisiert ist, wie Stunden, Vormittag und Nachmittag, Tage und Wochen. Time-Boxing stellt klassisches Vorgehen auf den Kopf, da es in verschieden langen Phasen plant.

Single-Tasking – bedeutet, dass Team-Mitglieder möglich ungestört an einem Thema arbeiten können. Empirische Untersuchungen zeigen, dass Single-Tasking hohe Performance mit gleichzeitiger Zufriedenheit vereint. Dieses Vorgehen ist ebenfalls an menschlichem Verhalten und der Untrennbarkeit von Emotionen, Intuition und Kognition ausgerichtet.

Framework – Ein einfaches und universell einsetzbareres Framework sorgt für Flexibilität, sicheren Ablauf und Zielerreichung. Das Framework Scrum differenziert sich durch folgende Objekte:

  • Artefacts – Dinge, die zu produzieren sind
  • Ceremonies – Interaktionen, um sich abzustimmen
  • Rollen – Verantwortung, klar und transparent definiert sowie gelebt
  • Product Increments – Iterationen, für eine enge Abstimmung und Entwicklung am Ziel

Der Glaube an einen perfekten Plan wird ersetzt durch schnelles Feedback auf die Wirkung von Entscheidungen und Handlungen. Eine zwanghafte finale Zielerreichung wird aufgegeben und durch eine konsequente kontinuierliche Entwicklung und Verbesserung abgelöst.

 

Agiles Mindset

Agile Methoden erneuerten das Verständnis von Initiativen und Vorhaben und in der Folge dem Umgang mit allen Projektmitarbeitern grundsätzlich. Agile Methoden ersetzen ein tradiertes autoritäres Führungsverständnis durch eine wertschätzende Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Zwischen den Artefacts gibt es Übergänge, die Commitments zwischen den Rollen und innerhalb des Teams erfordern. Die Rollen und Artefacts regeln Aufgaben und Ergebnisse in einem offenen Umgang sowie sicheren Rahmen für Single-Tasking. Time-Boxing gibt dem agilen Team den Fokus und die Ceromonies einen offenen Informationsaustausch, in dem auch ein kritischer und mutiger Austausch möglich wird. Cross-Funktionalität im Team erlaubt Selbstorganisation, um das Ziel in Selbstverantwortung zu erreichen.

4 Values – Im „Manifesto for Agile Software Development“ wurden 4 Values vorgeschlagen

  1. Individuals and interactions over processes and tools – Scrum rückte durch das einfache Framework sowie den Rollen, Artefacts und Ceremonies das Individuum wieder in der Vordergrund
  2. Working software over comprehensive documentation – Scrum verlagerte den Wildwuchs in Ceremonies und Artefacts
  3. Customer collaboration over contract negotiation – Scrum erlaubt keine Projekt- oder Werkverträge
  4. Responding to change over following a plan – Scrum bildet das im Sprint mit seinen Ceremonies und Artefacts ab

Bei den 4 Values handelt sich nicht um Werte, sondern eher um Priorisierungen.

12 Principles – Die 4 Values sowie die erweiterten 12 Principles entstanden aus den Einschränkungen tradierter Vorgehensmodelle und sind eine Mischung aus Regeln, Orientierung und Empfehlungen, die als Vorgabe für die Entwicklung des Scrum-Frameworks dienten. Mit der heutigen Erfahrung mit agilen Methoden würde man ganz andere Principles ableiten.

Das agile Mindset als Haltung und agile Methoden sind keine Widersprüche, wie sie zurzeit polarisierend diskutiert werden. Haltung wie Werte sind aus Sicht der Untrennbarkeit on Emotionen, Intuition und Kognition primär eine emotionale neurologische Struktur, die sich durch „gelungene Erfahrung“ bildet. Gute Prozesse oder Rituale sorgen für eine sichere Bildung der Haltung. Der Prozess entwickelt nur dann das agile Mindset, wenn er zum einen die agilen Wert selbst enthält sowie wenn der Prozess ein gutes Ergebnis sicher erreicht.

Für sichere und robust Bildung des Agilen Mindsets sind Entscheidungsprozesse prädestiniert, weil sie in jedem anderen Prozess, ob nun tradiert oder agil, vorkommen.

 

Agile Werte

Alle Beteiligten entwickelten mit Scrum und agilen Methoden während erfolgreicher Zusammenarbeit diese Werte:

  1. Offenheit
  2. Fokus
  3. Augenhöhe
  4. Mut
  5. Commitment

Agile Werte können auch aus anderen agilen Methoden und durch andere Erfahrungen gebildet werden.

Jedoch kann man aus Sicht der Untrennbarkeit von Emotionen, Intuition und Kognition sicher ableiten, Werte entwickelt sich aus gelungenen Erfahrungen. Auch wenn man diese Erfahrungen auf verschiedenen Wegen machen kann, so sind die agilen Methoden der natürliche Weg. Werden agile Methoden mit Erfolg eingeführt und auch gelebt, so entwickelt sich der agile Mindset und die agilen Werte.

 

Initiativen, Vorhaben und Projekte

Viele Projekte sind zu komplex und kreative Initiativen zu unbestimmt, um sie in einem Projektplan vollständig zu beschreiben und damit erfolgreich zu steuern. Selbst wenn es gelänge, einen Projektplan zu erstellen, führt das klassische Vorgehen dazu, dass sich die Beteiligten zu sehr mit den Anpassungen in der Planung beschäftigen, anstatt sich auf das Ziel zu konzentrieren.

Abbildung: Initiativen, Vorhaben und Projekte erfordert agile Methoden

Alle Phasen der Vorhaben, von der Ideation-Phase und dem Innovations-Management bis zur anschließenden Umsetzung, erfordern agile Methoden beziehungsweise sind damit gut umzusetzen.

 

Agiler Change braucht agile Methoden

Agile Methoden eignen sich gleichermaßen für den agilen Change wie für die Umsetzung von Initiativen, Vorhaben und Projekten. Viele Projekte und vor allem Change-Projekte sind nur bedingt mit tradierten Projekt-Vorgehen sinnvoll umzusetzen.
Der agile Mindset kann durchaus mit anderen Methoden in Menschen entwickelt werden, jedoch muss er dann wieder in die bestehenden Methoden integriert werden. Die unzähligen Change-Projekte schreiben hier eine deutliche Geschichte.
Es ist eher die Frage zu stellen, welche Umsetzungsprojekte tradiertes Vorgehen notwendig macht.

 

Transformation zwischen den Methoden

Die tradierten Bereiche erzeugen enormen Druck auf Scrum, weil bestimmte Prozesse in Unternehmen wie Budgetierung oder Controlling klassische Projektkennzahlen einfordern, die agile Teams nicht liefern können. Auch gibt es Anforderungen, die nur sinnvoll mit tradierten Projektmethoden umgesetzt werden können. Dieser reale Widerspruch kann nicht durch eine Anpassung von Scrum gelöst werden. Unter dem Druck von langfristiger Planung, Top-Down-Budgetvorgaben, Ressourcen und Kapazitätsengpässen behindern und konterkarieren tradierte Führungskräfte häufig die agilen Methoden und beschränken die Entfaltung ihres Potenzials.

Abbildung: Transformation zwischen den Methoden

Der Königsweg besteht darin, mit Entscheidungsprozessen die notwendigen Kennzahlen aus den Artefacts zu ermitteln. Damit können die klassische Planung, das Controlling und die Budgetierung hergestellt werden. Genauso können aus den Wasserfall-Anforderungen Stories in einen Backlog dekonstruiert werden. Die Prioritätsvorgaben, Aufwandschätzungen und weitere Informationen können ebenfalls in die Stories mit übernommen werden.

So sollte in jedem tradierten Unternehmen eine De-Konstruktion sowie eine Re-Konstruktion vor Projekt-Artefacts als Sicherungsmaßnahme Teile des Agilen Change werden.

Agilität wird über den „natürlicher“ Weg mit agilen Methoden erreicht. Das gilt für agile Teams, Mitarbeiter, Führungskräfte sowie für Unternehmen.

Von Richard Graf in Zusammenarbeit mit Laura Graf

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Die K-i-E Theorie der Untrennbarkeit von Emotionen, Intuition und Kognition liefert die wissenschaftliche Grundlage für die agilen Methoden und die Entscheidungsprozesse und stellt diese damit auf ein solides Fundament.

Die Entscheidungsprozesse für die Bewältigung der unternehmerischen Herausforderungen sind praxisnah für den Change zur Agilität in meinem Buch „Die neue Entscheidungskultur“, Hanser Verlag 2018, beschrieben.

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Agilität erfordert Entscheidungsprozesse 01/02
Agilität erfordert Entscheidungsprozesse 02/02

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Agilität erfordert Entscheidungsprozesse

Agile Leadership ist ein Widerspruch in sich selbst

Reihe:

  1. Wie der agile Change gelingt (18.09.2018)
  2. Ausrichtung am Geschäftsprozess und der Wertschöpfung (25.09.2018)
  3. Warum Entscheidungen so wichtig sind (2.10.2018)
  4. 5 Schritte zur Einführung agiler Methoden (9.10.2018)
  5. Ist Agilität ohne agile Methoden erreichbar? (Plan: 16.10.2018)
  6. Was macht agile Methoden so erfolgreich? (Plan: 23.10.2018)
  7. Agilen Methoden fehlt die Operationalisierung (Plan: 30.10.2018)
  8. Entscheidungsprozesse stellen eine neue Entscheidungskultur her (Plan: 6.11.2018)
  9. Kalibrierte emotionale Schleifen (13.11.2018)
  10. Entscheidungsprozesse lösen das Führungsdilemma (20.11.2018)
  11. Die fehlende Unterstützung ist selbstgemacht (27.11.2018)
  12. Die unternehmerische Wirklichkeit (4.12.2018)
  13. Mit Entscheidungsmanagement gelingt der agile Change (11.12.2018)