Agilität stattet Unternehmen mit der Flexibilität aus, um in der Dynamik der heutigen globalisierten Welt zu agieren und auf disruptive Veränderungen zu reagieren.
Die unternehmerische Wirklichkeit zeigt selten bessere Ergebnisse
Die Praxis zeigt jedoch, dass agile Methoden alleine selten automatisch bessere Ergebnisse bringen noch den Entwicklungsprozess nachhaltig beschleunigen. Schwerer wiegt, dass der agile Change häufig nicht gelingt und die agilen Methoden in ihrem Kern eingeschränkt und verwässert werden. Erschwerend stellt sich eine enorme Gegenkraft, die Vertreter der klassischen Projektmethoden, dem Paradigmen-Wechsel in den Weg. Die agilen Methoden wurden ja gerade deshalb entwickelt, weil klassische Projektmethoden ihr Leistungsversprechen in der Vergangenheit nicht eingelöst haben.
Alle Beteiligten sorgen für Erschwernis
Welche Beteiligten erschweren den agilen Change und die damit verbundene Selbstorganisation und Selbstverantwortung?
- Top-Management – viele erhoffen tatsächlich den Nutzen, den die agilen Methoden bergen. Viele bewegen sich jedoch eher mit dem allgemeinen Trend. Beide Gruppen verkennen die tatsächlichen Konsequenzen des Paradigmen-Wechsels und ihren eigenen notwendigen Beitrag für den Erfolg: gemeinsam getragene Entscheidungen, damit der agile Change gelingt und die agilen Teams geschützt werden.
- Fachbereich – sie erhoffen höhere Qualität in kürzerer Zeit und üben Druck aus, sind aber nicht bereit, ihre Rolle als Product-Owner als Voraussetzung für einen gelungenen agilen Change zu übernehmen: gemeinsam getragene Entscheidungen, damit der Backlog eine ausreichende Qualität hat.
- Führungskräfte – sie werden trianguliert zwischen dem Druck des Fachbereichs, der Verlustangst ihrer bisherigen Bedeutung und den Irritationen aus den agilen Teams: gemeinsam getragene Entscheidungen, um mit den agilen Teams auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten.
- Agile Teams – stehen im Spannungsfeld zwischen den euphorischen neuen Möglichkeiten und der Angst und fehlenden Erfahrung in Selbstorganisation und Selbstverantwortung: damit sie in den Ceremonies und Artefacts gemeinsam getragene Entscheidungen herstellen können.
- Agile Coachs – sind selten auf die Aufgabe vorbereitet. Coaches mit agilen Wurzeln fehlt häufig die Erfahrung als Fachbereichsverantwortlicher und als Führungskraft, um die Herausforderungen des Fachbereichs angemessen zu integrieren. Coaches, die vom klassischen Projektleitervorgehen geprägt sind, versuchen den agilen Change mit tradiertem Projektvorgehen herzustellen, was agile Methoden verwässert und entwertet, damit sie mit gemeinsam getragenen Entscheidungen die agilen Teams und den Change unterstützen können.
- Agility Master – oft werden klassische Projektleiter nach kurzer Fortbildung in Agility Master umbenannt und vererben tradiertes Vorgehen in die agilen Methoden und verschärfen damit die alten Probleme in neuem Gewand: sie verhindern dadurch den Change und versäumen, die agilen Teams zu gemeinsam getragenen Entscheidungen zu befähigen.
- Klassische Projekt-Manager – erkennen häufig nicht den Kern und was in Folge zu tun ist. Sie rauben den Kern, der die Wirkung bringen würde: sie brauchen eine Fortbildung und Erfahrung in agilen Methoden, damit sie mit gemeinsam getragenen Entscheidungen den Paradigmen-Wechsel bei sich selbst vollziehen.
Emotionale Motive wirken nicht immer zielführend
In den Unternehmen entsteht für alle Zielgruppen eine fatale Polarität zwischen blockierenden Bedenkenträgern und vorantreibenden Erfolgserzwingern. Diese beiden Polaritäten entstehen aus den Grundemotionen Angst mit dem emotionalen Motiv der Sorge um Sicherheit und dem Ärger mit dem emotionalen Motiv der erfolgreichen Einflussnahme.
Abbildung: Motiv der Angst
Abbildung: Motiv des Ärgers
Jede Emotion birgt in sich eine Polarität mit hohem Risiko für den agilen Change:
- leichtgläubige Heilsversprecher mit zu wenig und blockierende Bedenkenträger mit zu viel Angst (Sorge um Sicherheit)
- Laissez-faire- sowie postheroische Manager mit zu wenig und vorantreibende Erfolgserzwinger mit zu viel Ärger (erfolgsuchende Einflussnahme)
Abbildung: Wechselseitig verstärkende Polaritäten Kreuzweise
Die Polaritäten zwischen emotionalen Motiven gefährden den agilen Change
Die inneren Polaritäten einer Grundemotion können zusätzlich kreuzweise zwischen der Sorge um Sicherheit und der erfolgsuchenden Einflussnahme zu fatalen Wechselwirkungen führen:
- heilsversprechende agile Coaches produzieren mit postheroischen Top-Managern Katastrophen wider besseren Wissens
- blockierende Bedenkenträger verlieren sich mit agilen Theorie-Päpsten in end- und ergebnislosen Diskussionen.
Häufig befinden sich in agilen Change-Vorhaben beide Polaritäten in dysfunktionalen Bereichen, die sich wechselseitig verstärken. Diese Konstellation lässt die angestrebten Ziele meist verfehlen und den agilen Change häufig scheitern.
Abbildung: Kreuzweise verstärkende Polaritäten
Was die Beteiligten tun können
Um flexibel zu agieren und zu reagieren, sind vor allem schnelle und gute Entscheidungen herzustellen. Das Feedback aus der eingetretenen Wirkung erfordert erneut gute und schnelle Entscheidungen. Das gilt für Individuen gleichermaßen wie für Teams.
Agile Methoden erfordern ein diszipliniertes Vorgehen und der agile Change bedingt selbst ein zyklisch-evolutionäres Vorgehen (agile). Die Pioniere, die es schafften, sprechen gerne davon, sich „hoch-geirrt“ zu haben. Am Ende eines Zyklus werden die Learnings aus den Irrungen aufbereitet und in Maßnahmen transformiert, die in den nächsten Zyklus integriert werden. Die Integration der Entscheidungsprozesse in die Artefacts, Ceremonies und Roles schöpft das wirkliche Potenzial der agilen Methoden voll aus.
Agiler Change gelingt, wenn die oben identifizierten Zielgruppen, entsprechend ihrer Funktion und Verantwortung, das notwendige Wissen erwerben und erfolgreiche Erfahrung in den Zyklen machen. Dafür sind Entscheidungsprozesse notwendig, um Commitments zu unterschiedlichen Zeitpunkten, auf unterschiedlichen Ebenen und für verschiedene Themen herzustellen.
Agile Methoden sind so erfolgreich, weil sie an der Untrennbarkeit von Emotionen, Intuition und Kognition ausgerichtet sind. Sie entsprechen somit dem Prozess, wie Menschen entscheiden, fühlen, denken und handeln. Der Glaube an einen perfekten Plan wird ersetzt durch schnelles Feedback auf die Wirkung von Entscheidungen und Handlungen. Eine zwanghafte finale Zielerreichung wird aufgegeben und durch eine konsequente kontinuierliche Entwicklung und Verbesserung abgelöst. Agile Methoden wie Scrum, sind ein äußerst diszipliniertes Vorgehen, deren Kern Time-Boxing sowie Single-Tasking sind. Kleine selbstorganisierte Teams werden mit den notwendigen Kompetenzen ausgestattet (Cross-funktionale Teams), damit sie auf Augenhöhe zusammenarbeiten können. Time-Boxing gibt in festen Rhythmen, in Ceremonies und Artefacts, vor, welche Entscheidungsprozesse wie Priorisierungen, Güte- und Commitment-Prozesse ausgeführt werden.
Die agilen Methoden statten Teams und Unternehmen mit der Handlungsfreiheit aus, damit Vorhaben erfolgreich umgesetzt werden können.
Auf diesen Change-Pfad entwickeln sich alle Beteiligten zu souveränen Experten.
Entscheidungsprozesse für agile Methoden
Erst die Einbettung der agilen Methoden in ein funktionales Entscheidungsmanagement erlaubt, das wirkliche Potenzial auszuschöpfen. Die Begrenzung auf 5 bis 7 Team-Mitglieder grenzt eine ausufernde Gruppendynamik meist ein. Scrum gibt mit den Ceremonies sowohl Dauer und Ergebnis vor.
Im Sprint Planning legen das Development Team, der Scrum Master und der Product Owner fest, welche Stories im Sprint umgesetzt werden. Dafür werden folgende Entscheidungsprozesse benötigt: Bewertung, individuelle Entscheidung, Güte, Priorisierung, Commitment und Ressourcen-Frage. Im Vorfeld muss der Product Owner bereits die Stories priorisiert und mit angemessener Güte beschrieben haben.
Genauso erfordern die Ceremonies wie Daily Stand-up, Sprint Review, Retrospective, Refinement Entscheidungsprozesse, damit sie sicher gute Ergebnisse herstellen und eine ausufernde Gruppendynamik eindämmen. Tradierte Entscheidungsvorgänge sind dazu nur bedingt geeignet.
Die K-i-E Skala – Ein universelles Bewertungssystem
Grundlage aller Ceremonies für sichere und schnelle, sowohl für individuelle wie für Team-Entscheidungen ist eine normierte und akzeptierte Bewertung. Die K-i-E Skala erlaubt eine schnelle und präzise Bewertung als Voraussetzung für eine klare Entscheidung. Ihre Flexibilität macht sie zu einem universellen, akzeptierten und normierten Bewertungssystem für alle Ceremonies und Entscheidungsprozesse.
Der innere Aufbau der K-i-E Skala eignet sich, um den wenig differenzierten Impuls aus der Intuition präzise abzubilden. Diese Eigenschaft bildet die kongeniale Brücke, um Intuition und Kognition in eine einzige Entscheidungsstrategie zusammenzuführen. Ihre Transparenz öffnet den Weg, um die Gruppenkompetenz zu nutzen.
Die K-i-E Intuition – Die Intelligenz der Intuition bewusst nutzen
Die natürliche Intuition, über die jeder Mensch verfügt, wird zur K-i-E Intuition, wenn sie durch die K-i-E Skala einen normierten und trennscharfen Ausdruck bekommt. Mit der K-i-E Intuition wird das Expertenwissen aller blitzschnell bewusst abrufbar, um für alle Ceremonies und Artefacts eine erste stimmige individuelle Entscheidung zu treffen.
Die K-i-E Entscheidungsstrategie – sicher entscheiden
Mit der individuellen Entscheidungsstrategie entscheiden agile Teammitglieder sowie Scrum Master und Product Owner schnell und sicher. Der verzerrende Einfluss des Emotionssystems wird reduziert und die bewusste Nutzung der Intuition integriert. Jeder weiß – in der tradierten wie agilen Welt – welche Mängel individuelle Entscheidungen haben. Aus diesem Grunde sind weitere Entscheidungsprozesse für Scrum zwingend nötig, damit die Aufgaben gelingen und die Gruppenkompetenz integriert wird.
Der Güteprozess – Gemeinsam akzeptierte Qualität für alle Artefacts
Alle Artefacts wie die Stories im Product wie im Sprint Backlog werden unter angemessenem Ressourceneinsatz in angemessener Qualität erstellt. Dabei wird die Qualität bereits in frühen Phasen hergestellt, wodurch spätere Probleme und Aufwände begrenzt werden.
Mit dem Güteprozess entsteht ein selbstorganisierter Prozess, der die Prozessbeteiligten befähigt, die Qualität selbstbestimmt herzustellen.
Der Commitment-Prozess für gemeinsam getragene Entscheidungen
Identifikation und Loyalität zum Ziel sind der wesentliche Erfolgsfaktor für alle Ceremonies schlechthin. Der Commitment-Prozess bindet alle Teilnehmer zu 100% ein. Der Prozess forciert, dass sich alle äußern und einen bewertbaren Standpunkt einnehmen. Divergierende Sichtweisen werden gleich zu Beginn sichtbar und durch Beteiligung und Mitwirkung aller einer gemeinsamen konstruktiven Lösung zugeführt.
Vorbehalte, Risiken und verborgene Konflikte werden in frühen Phasen identifiziert. In späteren Projekt-Phasen würden sie Aufwandsteigerungen und Verzögerungen verursachen, nachdem bereits erhebliche Investments getätigt wurden. Dieser Situation wird bereits vor dem Beginn eines Vorhabens entgegengewirkt und die erfolgsichernden Maßnahmen werden gemeinsam erarbeitet. Die Wirkung in der anschließenden Umsetzung ist zentral für den Erfolg.
Der Priorisierungsprozess – Gemeinsam getragene Auswahl und Reihenfolge von Themen
Mit dem Priorisierungsprozess wird die Kernfrage – Was wird im Sprint umgesetzt und was wird nicht getan? – mit dem Development Team, dem Scrum Master und dem Product Owner gemeinsam gelöst. Die zu bearbeitenden Themen werden anschließend vom Development Team in eine Reihenfolge gebracht.
Für jeden Sprint konkurrieren diverse Stories um die begrenzten Ressourcen an Zeit, Budget, Kompetenzen, Fokus und Umsetzungskapazitäten. Mit dem Priorisierungsprozess wird das Ziel erreicht, eine gemeinsam getragene Auswahl von Anforderungen in einem gegebenen Zeitrahmen zu finden.
Die K-i-E Ressourcen-Frage – Der integrative Weg zur Lösung
Die Ressourcen-Frage stößt ein klares Vorgehen an, das die notwendigen Maßnahmen aktiviert, damit Erfolg möglich wird. Sie ist damit ein Grundbaustein für alle Ceremonies und Artefacts. Die Beteiligten werden in die Pflicht genommen, ihren Beitrag für eine Lösung einzubringen. Statt zu kritisieren, das Problem zu beleuchten oder sich in Ursachenforschung zu ergehen, wird der Rückblick vermieden.
Stattdessen wird stringent die Kompetenz gefordert, und es zeigt sich rasch, was und wie viel für den Erfolg nötig ist.
Dadurch verkürzen sich Diskussionen um Faktoren. Es werden brauchbare Maßnahmen erarbeitet und als Begleiteffekt wird sichtbar, wie unterstützend sich jemand verhält.
Der Briefing-Prozess für eine gelungene Delegation
Mit dem Briefing-Prozess stellt man sicher, dass man von internen und externen Teams das erhält, was man selbst braucht, um ein gutes Gesamtergebnis zu erstellen. Voraussetzung für den Briefing-Prozess: eine normierte Bewertung mit der K-i-E Skala, die Ressourcen-Frage, Güte-, Commitment- und Priorisierungsprozess sowie das Motivationsdreieck.
Mit diesem Set an Entscheidungsprozessen lassen sich alle Ceremonies und Aretfacts in Scrum operationalisieren sowie die Prozesse zwischen tradierten und agilen Bereichen erfolgreich gestalten und leben.
Die fehlende Operationalisierung gilt genauso für Design Thinking, Kanban, Lean Coffee und die anderen agilen Methoden.
Werden die agilen Methoden mit Entscheidungsprozessen gestärkt, befähigen sie die Teammitglieder zur Zusammenarbeit auf Augenhöhe und sorgen für die notwendige Handlungsfreiheit, um die Vorhaben selbstorganisiert und selbstverantwortlich umzusetzen.
Mit diesem Set an Entscheidungsprozessen lassen sich alle Ceremonies und Aretfacts in Scrum operationalisieren sowie die Prozesse zwischen tradierten und agilen Bereichen erfolgreich gestalten und leben.
Die fehlende Operationalisierung gilt genauso für Design Thinking, Kanban, Lean Coffee und die anderen agilen Methoden.
Werden die agilen Methoden mit Entscheidungsprozessen gestärkt, befähigen sie die Teammitglieder zur Zusammenarbeit auf Augenhöhe und sorgen für die notwendige Handlungsfreiheit, um die Vorhaben selbstorganisiert und selbstverantwortlich umzusetzen.
Die neue Entscheidungskultur – Das Buch
Die K-i-E Theorie der Untrennbarkeit von Emotionen, Intuition und Kognition liefert die wissenschaftliche Grundlage für die agilen Methoden und die Entscheidungsprozesse und stellt diese damit auf ein solides Fundament.
Die Entscheidungsprozesse für die Bewältigung der unternehmerischen Herausforderungen sind praxisnah für den Change zur Agilität in meinem Buch „Die neue Entscheidungskultur“, Hanser Verlag 2018, beschrieben.
Mehr auf meiner Homepage www.k-i-e.com
Agilität erfordert Entscheidungsprozesse 01/02
Agilität erfordert Entscheidungsprozesse 02/02
Die neue Entscheidungskultur – Das Seminar (2 Tage)
Entscheidungen herstellen, statt sie zu fällen oder zu treffen. Die Untrennbarkeit von Emotionen, Intuition und Kognition. Praxiserprobte Werkzeuge für 100% Beteiligung.
Nächster Termin: Freitag 25. und Samstag 26. Januar 2019
Ort: Frankfurt am Main
Das Emotionssystem ist Ursprung und Ende jeglichen Denkens. Neues Denken mit bewusster Emotionslogik erweitert die menschliche wie künstliche Intelligenz.
Agilität erfordert Entscheidungsprozesse
Agile Leadership ist ein Widerspruch in sich selbst
Done
- Wie der agile Change gelingt (18.09.2018)
- Ausrichtung am Geschäftsprozess und der Wertschöpfung (25.09.2018)
- Warum Entscheidungen so wichtig sind (2.10.2018)
- 5 Schritte zur Einführung agiler Methoden (9.10.2018)
- Ist Agilität ohne agile Methoden erreichbar? (16.10.2018)
- Wie Entscheidungsprozesse agile Methoden stärken (23.10.2018)
- Was macht agile Methoden so erfolgreich? (29. 10. 2018)
- Wer den agilen Change beschwert und wie damit umzugehen ist (6. 11. 2018)
Backlog für wöchentlichen Blog
Entscheidungsprozesse stellen eine neue Entscheidungskultur her
Kalibrierte emotionale Schleifen
Entscheidungsprozesse lösen das Führungsdilemma
Die fehlende Unterstützung ist selbstgemacht
Die unternehmerische Wirklichkeit
Mit Entscheidungsmanagement gelingt der agile Change